Ein persönliches Essay über die Gründung der biodynamischen Ausbildung im Süden

Anfang 2017, im November, war Donald Trump gerade ins Amt gewählt worden, ich hatte das irgendwie geahnt, doch jetzt war es real und ich dachte quasi, es sei an der Zeit, eine seit längerem gehegte Idee in die Welt zu setzen:

Eine biologisch-dynamische Ausbildung in Süddeutschland ins Leben zu rufen. Jetzt, so schien mir, gab es kein Aufschieben mehr, keine Ausflüchte, wir waren verantwortlich für die Situation auf dem Planeten hier und auch in Zukunft. Unser Fußabdruck, unsere Klimabilanz, unser Konsum, unsere Art, Landwirtschaft zu betreiben und natürlich auch das: unsere Art, das Wissen über die biodynamische Wirtschaftsweise an die jüngere Generation weiterzugeben. Wo sonst konnte man junge Menschen mit den Ideen einer brüderlichen Wirtschafts- und Lebensweise besser erreichen, als durch Ausbildung? Wer sonst sollte das tun, wenn nicht wir Demeter-Bauern?

Also los:

Bisher gab es in Süddeutschland nur die überfüllte Bodenseeschule und sonst keine äquivalente biodynamische Ausbildung wie im Norden – Westen – Osten. Wir mussten unsere Lehrlinge stets zur staatlichen Berufsschule schicken, obwohl wir doch ganz andere Werte vermitteln wollten…

Für mich war es naheliegend, jetzt eine biologisch dynamische Ausbildungsinitiative zu starten und zu hoffen, dass sich mit der Zeit genügend Menschen zusammen finden würden, um letztlich eine Ausbildung auf den Höfen anbieten zu können. So ganz nebenbei, ich meine, neben der Tätigkeit als Familienvater, Ackerbauer, Käser, Gastronom, Pädagoge, Mechaniker, Betriebswirtschaftler, Waldbewirtschafter usw.

Glücklicherweise bin ich Generalist und so gesehen gab es keine weiteren Hinderungsgründe, die Sache zu starten. Erst kontaktierte ich Ute Rönnebeck aus NRW, um Grundsätzliches zu erfragen, dann schnappte ich mir das Telefon und rief auf dem Reyerhof an und fragte nach Lukas Dreyer. Den kannte ich aus meiner Zeit in NRW als engagierten Gärtner…


Wir berieten uns wochenlang, knüpften Kontakte, warben in Dornach, luden alle Betriebsleiter unseres Arbeitskreises zu einem Gesprächstermin auf den Reyerhof und gelangten Mitte des Jahres an den eng an die Gärtnerei Willmann angebundenen Verein „Freies Land“, der satzungsgemäß die biodynamische Ausbildung fördert.

Zusammen mit dem Verein belebten wir deren Seminartätigkeit neu und starteten im Winterhalbjahr 17/18 mit zunächst fünf ein- und zweitägigen Seminaren. Mit der Hilfe ihrer Vereinsstruktur erreichten wir eine ganze Reihe junger Auszubildender, außerdem konnte unsere Idee einer kompletten Ausbildung sich allmählich weiter herauskristallisieren, wir vernetzten Menschen und bezogen die Demeter-Landesarbeitsgemeinschaft in Baden-Württemberg mit in unser Vorhaben ein.

Glücklicherweise gab es in 2018, etwa 1 Jahr später, einen Wechsel in der Geschäftsführung und Tim Kiesler stand unserem Anliegen von Beginn an wohlwollend und fördernd zur Seite, ebenso Teile des Demeter Landes-Vorstandes. So bekamen wir eine kleine Bürostelle in der Geschäftsstelle, die zunächst Johanna, später Laura ausfüllte, und uns von dort aus organisatorisch unterstützen konnte. Wir begannen ganz unten, d.h. damit, herauszufinden, welche Demeter Betriebe damals überhaupt noch in Baden Württemberg ausbildeten. Dieses Unterfangen war jedoch viel schwieriger als gedacht…

Aber wir blieben dran!

Im Winterhalbjahr 18/19 planten wir erneut eine Seminarreihe mit dem Verein. Gleichzeitig bezogen wir 2018 die biologisch dynamischen Ausbildungen im Westen, Osten und Norden mit in unsere Entwicklungsgespräche ein und erörterten mit Anja vom Demeter Vorstand BW Möglichkeiten der Kooperation mit staatlichen Berufsschulen.

Im weiteren Verlauf knüpften wir an das Wissen und die Erfahrungen der Bodenseeschule an und trafen uns mehrmals in verschiedenen Arbeitszusammenhängen mit Markus und Stefan in Rengoldshausen. Hier bekamen wir Ende 2018 während eines überregionalen Treffens der Ausbildungsinitiativen in BW, zu dem auch Jakob Ganten als Netzwerkvertreter kam, positive Signale von der Software AG für eine mögliche Förderung während der Anlaufphase, überhaupt war auf diesem Treffen nach einigen Anfangsschwierigkeiten am Ende eine sehr unterstützende Stimmung für unser Projekt entstanden…

Anfang 2019 lud uns Stephan Offermanns zur neu gegründeten „Ausbildungsinitiative Bayern“ ein. Lukas und ich fuhren hin, präsentierten unsere bisherige Arbeit und kamen überein, Synergien zu schaffen, indem wir zukünftig gemeinsam mit zwei Bundesländern weiter an einer „Ausbildungsinitiative Süd“ arbeiten wollten.

Das war wie ein erneuter Startschuss: Nach der Aussicht auf inhaltliche und finanzielle Unterstützung im November 18 kam jetzt mit Bayern ein weiteres Bundesland hinzu. So hatten sich einige weitere aktive Menschen unter der Idee zusammengefunden!

2019 folgte Treffen auf Treffen und die Gründung von AGs innerhalb des nun vergrößerten Initiativkreises zu verschiedenen Themen rund um die Ausbildungsgründung, die wir „abarbeiten“ mussten. Die Stimmung war sehr bereichernd, die Arbeitsatmosphäre mit Hilfe eines soziokratischen Entscheidungswerkzeuges äußerst konstruktiv. Wir entschieden uns, eine 3-jährige Ausbildung anzubieten, die Struktur entstand, die Finanzierung entwickelte sich, wir orientierten uns am Curriculum der West/Nord/Ost Ausbildungen, um uns in den bestehenden Prozess der Weiterentwicklung der biodynamischen Ausbildungen deutschlandweit einzubringen.

In der auf den Höfen arbeitsreichen Sommerzeit gründeten wir dezentrale Sommerarbeitsgruppen, die zu den verschiedenen Themenbereichen weiter arbeiten konnten. Ende 2019 entschieden wir, in 2021 mit dem ersten Lehrjahr zu starten, und uns mit einer Online Plattform zu vernetzen, um einfacher Informationen austauschen zu können.

Das war wichtiger als wir damals ahnten, wir hatten so schon vor Covid-19 digitale Arbeitsformen angedacht und gestartet. Außerdem brachten wir Anträge bei den beiden LAGn ein, um eine finanzielle Basis für die Ausbildung zu bekommen. In BW wurde auf der Demeter-Mitgliederversammlung entschieden, künftig 10% der Mitgliedsbeiträge für die Ausbildungen in BW zu verwenden.

Yes, we can!

Anfang 2020 vertiefte sich die Zusammenarbeit mit dem Verein „Freies Land e.V.“, der sich bereit erklärte, die Trägerschaft der „Ausbildung Süd“ zu übernehmen. Mit Peter Lüdemann-Ravit und Klaus-Peter Schliffka, kam juristische und steuerliche Fachkompetenz in unsere Initiative! Mit diesem Rückhalt konnten wir rechtliche und steuerliche Fragen professionell weiter entwickeln: Z.B. wurde die Gründung einer gGmbH aus dem Verein heraus als Rechtsform für die Ausbildungsinitiative erstmals angedacht und seitdem kontinuierlich weiter entwickelt.

Trotz der Covid-19-Erschwernisse seit März 2020 konnten wir in Online- Meetings die Initiative formen, alle AGs blieben handlungsfähig und wir haben für das Orientierungsseminar im November über 30 Anmeldungen erhalten. Jetzt scheint es mir in Anbetracht eines erneuten Lockdowns wichtiger denn je, dass wir jungen Menschen gesunde und enkeltaugliche Zukunftsimpulse für ihre persönliche und berufliche (bäuerliche) Weiterentwicklung mit auf den Weg geben können, denn es wird nach meiner Einschätzung einen steigenden Bedarf an qualifizierten Nachhaltigkeitsstrategien, nicht nur in der Landwirtschaft, geben. Dies gilt insbesondere dann, wenn bisherige und aus der Vergangenheit stammende Mechanismen zur Problemlösung sowohl in landwirtschaftlichen als auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen zunehmend an ihre Grenzen stoßen werden.

Kenneth Stange